Was wäre wenn Pferde kluge Wesen wären, auf eine andere Art klug als wir? Was wäre, wenn sie unsere Gedankenbilder lesen könnten?
„Der veralbert Dich!“ bekam ich die letzten Tage zu hören, als mein Jungpferd nicht so gerne wollte, dass ich aufsteige. Immer wieder hört man so etwas. Pferde testen und veralbern und probieren einem aus… Denken wir Menschen. Aber stimmt das denn? Man kann es am Ende nicht wissen, Wir sind jedoch schnell bei Interpretationen, die nicht passen.
Pferde denken sich was aus, um uns zu ärgern!?
Meine Reaktion darauf lautet stereotyp: „Nein. Pferde tun das nicht.“-
Was wäre, wenn Pferde außerordentlich kluge und sensible Wesen wären, die nur anders denken als wir? Wesen, die kooperativ sind bis zur Selbstaufgabe und das am besten, wenn man sie darum bittet? Wesen, die uns blitzschnell und detailliert lesen und auf das reagieren, was sie da vor sich sehen, uns quasi „spiegeln“? Wesen, die unsere Gedankenbilder lesen und die uns so schnell und leicht und oft unverdient Vertrauen schenken? Das klingt ja nun beim losen Drüberlesen plausibel und jeder Mensch, der Pferde liebt, wird nicht widersprechen.
Diese Annahme, die ich bei meinem Jungpferd mache, seit ich ihn habe, hat jedoch weitreichende Konsequenzen. Folgen wir einmal diesem Bild vom Pferde durchgängig:
Wenn man vom Pferd etwas will, dann kann man ihm das einfach „sagen“, indem man ein Gedankenbild schickt. Wenn man es wirklich will, sich also sicher ist, dann ist die Chance groß, dass das Pferd kooperiert. Wir kennen alle unglaubliche Erlebnisse, bei denen große, starke Pferde mit Kindern einfach so machen, was diese wollen. Warum? Weil Kinder sehr klare Gedankenbilder senden, voller klarer Absicht und Freude.
Man kann sagen, was man vom Pferd will und es ihm erklären. Wenn man etwas sehr Schlimmes tun will, z.B. eine Maßnahme, die bei einer Verletzung oder einer medizinischen Behandlung notwendig ist, dann kann man dies dem Pferd erklären und benötigt keine Zwangsmaßnahmen. Die Situation kennen wir alle, oder? Pferde lassen sich bisweilen z.B. Schnitte in Hufabszesse oder anderes extrem Schlimmes brav trotz großem Schmerz gefallen. Mein altes Pferd hatte einmal wegen eines drückenden Verbandes (vom Tierarzt) solche Schmerzen, dass er schwitzte und zitterte. Und er ließ mich mit einer lieben Helferin, die ihm das erklärte, wie eine Mauer stehend daran arbeiten. Das rührte uns damals zu Tränen. Er wusste, dass ich ihm helfen würde.
Wenn Pferde auf das reagieren, was man denkt, dann muss man das Richtige richtig denken. Wenn man denkt, dass das Pferd bitte bitte nicht angaloppieren möge, dann galoppiert es prompt an. Kennen Sie das? Pferde und andere soziale Wesen, wie z.B. Menschen können Negationen nicht auflösen, d.h. sobald ein Gedankenbild unterwegs ist, wirkt es. Das ist allerdings extrem schwierig, da wir Menschen, wenn wir Angst haben, so gerne in Negationen sprechen und denken: „Geh nicht so schnell!“, „Trab bitte nicht an!“. „Geh nicht immer von der Aufstieghilfe weg!“, „Hampel nicht rum!“ und so weiter und so weiter. Wenn man dies zu Ende denkt und dieser Annahme folgt, dann machen wir es dem Pferd unglaublich schwer, das zu tun, was wir wollen.
Wenn man z.B. in einen Hänger mit seinem Pferd möchte, dann kann man ihm das ruhig erklären und es dann üben, wenn Zeit und Ruhe sind, wenn man selbst nicht unter Druck steht oder Angst hat und damit Versagensbilder sendet. Versuchen Sie mal, beim Verladen eines schwierigen Pferdes nicht zu denken, dass es nicht reingehen wird… Nur positive Bilder zu senden, erfordert reichlich Übung und Zuversicht- Es zahlt sich aus. Kürzlich verlud ich das hektische Jungpferd eines Bekannten, indem ich ihn nötigte, aufzuhören miese Bilder zu senden. Das Pferd brauchte gar keine Einwirkung, nur ein kleines bisschen Zeit. Natürlich ist dies ein unbedarftes Pferd und keines, was schon x Versuche des Verladens erlebt hat. Da dauert es natürlich ein bisschen länger.
Was würde im Kopf und im Herzen eines Jungpferdes vorgehen, wenn man sich mit dem inneren Bild des Fallens darauf setzt? Mark Rashid merkt in seinen Clinics zu Aikido und Horsemanship an, dass man, wenn man nach unten denkt, schon halb unten ist. Ich bin mir gewiss, dass er Recht hat.
Was heißt es für das Pferd, wenn man das Bild eines hampelnden, wild buckelnden Pferdes sendet, auf dem man als Opfer klebt wie ein Stück Butter auf einer heißen Kartoffel?Das man also einfach Angst hat? Das muss das Pferd verwirren, im besten Fall. Es spürt ja neben dem Bild auch die eigene Unsicherheit. Diese wird es verunsichern. Keine gute Situation für alle Beteiligten. Gestraft wird dann das Pferd oder es wird vor dem Aufsitzen unendlich lange im Galopp zentrifugiert, dass man sich sicher ist, dass es „nicht mehr widersetzlich“ sein wird.
Wenn man dem Pferd Zutrauen schenkt, dann geschehen erstaunliche Dinge. Einige von uns kennen das bei Wettkämpfen oder in Notsituationen. Was, wenn es immer so wäre? Und was, wenn man dem Pferd mit Verachtung begegnet, ihm zum Beispiel einen verächtlichen Spitznamen gibt? Die Tage hörte ich von einem Pferd mit dem Rufnamen „Klotz am Bein“. Was, wenn der arme Kerl das Bild versteht?
Was würde man dann einem Pferd Furchtbares antun, wenn man es mit Gewalt und Schmerzen straft, wenn es nicht tut, was man grade will? Obwohl es gar nicht verstehen konnte, was man will? Und obwohl es einem nur das widerspiegelt, was man selbst grad an Unsinn im Kopf hat? Das ist purer Missbrauch aus Dummheit und fehlendem Verständnis für ein wunderbares und kluges Wesen.
Ich selbst arbeite mit meinem 3.5jährigen Quarterwallach Luke, indem ich ihm mit Worten sage, was ich von ihm möchte. Die Worte brauche ich, um die Bilder besser zu senden. Ich brauche dazu Ruhe im Kopf und kein mentales Störfeuer durch meine eigenen oder fremde komische Bilder („Der veralbert Dich!“). Die Erfolgsquote ist erstaunlich, wenn ich gut arbeite. Natürlich tut er nicht alles, worum ich ihn bitte, warum sollte er auch? Er hat einen eigenen Willen und manches ist ja auch einfach doof. Möchten Sie dauernd im Kreis traben, minutenlang? Täglich? Aber wenn ich verantwortungsvoll in kleinen Schritten sinnvolle Dinge erbitte, dann steigt die Wahrscheinlichkeit dramatisch an, dass er das macht. Gut erklären muss ich, kleinschrittig. Und seine Verfassung berücksichtigen, er ist ein Jungspund! Heißt das, dass es nur Kekse und rosa Wolken gibt? Natürlich nicht. Grenzen sind notwendig und gute Erziehung. Und diese Art, mit dem Pferd Zeit zu verbringen, erfordert viel Lernen... Ich bin da ganz am Anfang.
„Der veralbert Dich!“, weil er mich nicht aufsteigen lässt. Ich reagierte in dem Fall darauf, indem ich solange an mir und mit Lukes Hilfe übte, bis das Stehenbleiben gelang, weil meine Bitte klar war. Was hätte ich ihm angetan, wenn ich ihn hier gestraft hätte. Wir werden sehen, wie es weitergeht.