Warum haben Sie ein Pferd? In Rumänien z.B. stellt sich diese Frage nicht. Dort hat man ein Pferd, um es zur Arbeit einzusetzen. Und fertig. Wie sieht es aber bei uns aus? (So gut wie) niemand braucht ein Pferd als Arbeitspferd. Man hat ein Auto und benötigt keine Kutsche und auch beim Reiten geht es ja nicht in erster Linie um die Fortbewegung. Ich habe diese Frage vor ein paar Wochen in einem Internetforum, in dem sich nette Pferdemenschen tummeln, gestellt. Es gab eine Menge hübscher Antworten. Man habe sich verliebt, man könne nicht anders, das Pferd spiegele einem… Am Ende läuft es jedoch, wenn man ehrlich ist, auf genau eine Antwort hinaus: Man hat ein Pferd, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen. Mark Rashid erwähnt in einem seiner Bücher, die meisten Pferde in unserer Welt seien „Pets, Tools or Showobjects“ (Schmusetiere, Werkzeuge oder Schaugegenstände). Irgendetwas muss mit Pferd besser sein, als wenn man kein Pferd hätte, sonst würden sich Menschen schlicht nicht dafür entscheiden. „Das Pferd schließt einfach eine Lücke“ sagte eine Miteinstellerin zu dieser Frage. Viele Menschen setzen „ein Pferd haben“ gleich mit Reiten und da ist dann die Nähe zum Sportreiten nicht weit. Das Pferd als Fitnessgerät, mit dem man seine eigene Leistung zur Schau stellen kann oder (schöner) eine gemeinsame Leistung darbieten kann? So hat man auch regelmäßig Bewegung an der frischen Luft! Da wird dann davon gesprochen, dass der Sport der Zuchtauslese diene, so dass z.B. eine großartige Pferderasse wie das englische Vollblut immer perfekter auf seine Leistung des Rennens hin gezüchtet werde. Oder betrachte man die modernen Warmblutpferde und deren Entwicklung in den letzten Jahrzehnten… Das gibt dem Sport vermeintlich Sinn. (Man sollte dabei nicht unbedingt an die Individuen denken… also an das eine Pferd. Das ist eine andere Sichtweise… ich persönlich finde das Zuchtargument völlig absurd.) Viele Menschen reagieren ein wenig erstaunt, wenn man erwähnt, dass man ein Pferd habe, aber nicht reite (z.B. weil das Pferd zu alt oder zu jung oder krank ist). Jedoch gibt es unterdessen eine steigende Anzahl Pferdebesitzern, denen die gemeinsame Bewegung gar nicht so wichtig ist. Hier geht es darum „mit Pferden zu sein“ (dies ist auch der Name einer recht extremen Richtung des Horsemanship, die dann auch wieder etwas ungewöhnlich ist (um das positiv auszudrücken). Oder man hat ein Pferd, weil Pferde einem ja „spiegeln“. Man erfährt etwas über sich selbst! Das Pferd als Therapeut? Oder gar als soziales Umfeld oder Teilfamilienersatz? Ist das eine Aufgabe, die ein Pferd gut findet? Ganz selten nur noch wird ein Pferd zum Arbeiten eingesetzt, z.B. zum Kutsche fahren oder zum Rinder treiben. Menschen haben ein Pferd, weil es ihnen dadurch ein wenig besser geht als ohne Pferd. Mit Pferd hat man „etwas zu tun“, man hat „Ansprache“, man ist „erfolgreich“ oder man kann ein Wesen „betüddeln“ oder oder oder… Man befriedigt ein eigenes Bedürfnis. Welche Einstellung zum Pferd resultiert aber daraus? Das Arbeitspferd ist - zumindest häufig – ein Kollege, ein Kapital, welches es zu schützen und zu bewahren gilt und welches eine klare Aufgabe hat, der es hoffentlich mental und körperlich gut gewachsen ist. Man würde ein Holzrückpferd z.B. nicht nehmen, um am Rind zu arbeiten und umgekehrt. Unsere modernen Freizeitpferde haben viele Aufgaben. Sie müssen sich häufig auf eine bestimmte Art und Weise benehmen und bewegen und sie müssen sich an unsere Erwartungen anpassen. „Du kannst 23h machen, was Du willst und eine Stunde, das was ich will“ hörte ich unlängst eine jugendliche, besonders forsche Reiningreiterin ihrem Pferd erklären, natürlich primär so, dass es die staunenden Umstehenden hören sollten. Das Pferd hatte sich eben unwillig und mit wenig Hoffnung weggedreht, als es zur Arbeit abgeholt werden sollte. Vielleicht sind verschleißende Shownummern, wie sie die Disziplin Reining fordert, nicht jederpferds Sache? Das ist egal. Ein dafür gezüchtetes Pferd wird dahin modelliert. Offenbar ist die Einstellung verbreitet, dass das wichtig ist, das Pferd so zu formen, wie man es möchte. Bemerkenswert, da es sich doch um Freizeitgestaltung handelt und nicht um Arbeit! Ein Dressurpferd muss in einer viel zu kleinen Halle immer die gleichen Übungen durchlaufen. Ein Springpferd hüpft eben über bunte Stangen. Dies lässt sich beliebig auf alle „Verwendungszwecke“ übertragen. Selten hört man, dass es um den Spaß von Reiter und Pferd gehe. Sollte aber nicht Spaß bei einer Freizeitgestaltung im Vordergrund stehen? Auch der Spaß, den das Pferd hat…..? Inwieweit prägt die Einstellung zum Pferd das Verhalten des Pferdes? Nehmen wir ein Beispiel: Ein Jungpferd ist ein bisschen nervös bei einer neuen Aufgabe. Wenn man die Einstellung hat, dass das junge Pferd freundlich, kooperativ und clever ist, dann könnte die Interpretation heißen: „Oh. Er wird ein bisschen übermotiviert. Machen wir ein bisschen langsam und dann wird das schon.“. Wenn man die Einstellung hat, dass das junge Pferd faul und widersetzlich sein kann, dann lautet die Interpretation: „Er hat schon gelernt, sich zu entziehen. Du musst Dich unbedingt durchsetzen.“. Hier lugt natürlich die Vorstellung vom Pferderespekt um die Ecke, den uns vor allem das Natural Horsemanship beschert hat. Was aber kann es für ein Pferd bedeuten, wenn es diese Einstellung spürt..? Das Pferd spürt, ob man mit ihm zufrieden ist, ob man gelassen und konzentriert „arbeitet“ (als Erinnerung: das bedeutet, dass man Freizeit gemeinsam verbringt) oder ob man wie ein unzufriedener Ausbilder mit einem unfähigen Lernenden agiert. Wie lange wird es dauern, bis das Jungpferd resigniert und einigermaßen stumpf tut, was es soll? Möchte man dies bei einer gemeinsamen Freizeitgestaltung? Ein Pferd, das traurig aus der gelernten Hilflosigkeit heraus reagiert und sich freut, wenn es den Menschen wieder los ist? Ein anderes Beispiel: Ein altes Pferd arbeitet engagiert bei einem Kurs. Wenn man die Einstellung hat, dass Pferde an sich faul sind und sich gerne entziehen, dann könnte man interpretieren: „Siehst Du, der kann, wenn Du ihm das richtig sagst. Der braucht einfach mehr Arbeit und Du ordentlichen Unterricht.“. Wenn man die Einstellung hat, dass das Pferd gerne mehr gibt, als es eigentlich kann, weil es spürt, dass einem dieses wichtig ist, dann kann man interpretieren: „Unfassbar, wie der alter Kerl sich anstrengt. Für mich. Ich lasse die letzte Einheit ausfallen.“. Das letzte Beispiel war übrigens mein Pferd. Er war nach dem Kurs nie wieder fit genug, um geritten zu werden. Wir hatten noch zwei schöne Jahre mit anderer Beschäftigung. Die Einstellung zum Pferd prägt maßgeblich unseren Umgang mit diesen wundervollen Wesen. Dies wiederum prägt die Reaktion des Pferdes. Es ist essenziell, sich darüber einmal Gedanken zu machen. Das ist Ziel dieses kleinen Textes. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diesen zu lesen. |
2 Kommentare
1/30/2015 02:32:02 pm
Liebe Chris,
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Chris
1/30/2015 04:19:30 pm
Danke Isolde und mir geht es genauso. Ich habe so viele Fehler gemacht und mache sicher weiter viele... und viele davon verfolgen mich. Bitte erzähle Deine Geschichten, am besten in Buchform... :-) Ich bin die erste Vorbestellerin. Luke und ich werden von Dir lernen.
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AuthorBlogging toughts about the world of horses and humans Archives
September 2015
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